top of page

Couchgeflüster #49 - Nicole Bernegger

Nicole Bernegger und ihre Stimme – ein unschlagbares Team. 2013 gewann die Schweizer Soulsängerin «The Voice of Switzerland». Ob als Opening-Act von Künstlern wie Simply Red, John Legend oder bei ihren eigenen Konzerten: Nicole zieht das Publikum mit beeindruckender Stimme und unglaublicher Bühnenpräsenz in ihren Bann. Am 1. Oktober erschien ihre neue Single «YOU» auf Spotify und allen gängigen Musik-Plattformen. Was die Powerfrau antreibt, motiviert und bewegt, lest ihr im folgenden Interview.


Nicole Bernegger | Schweizer Soulsängerin
Nicole Bernegger | Schweizer Soulsängerin

Facebook, Instagram und WhatsApp sind erst kürzlich für mehrere Stunden eingebrochen. Was bedeutet dir diese Form der Medien?

Ich nutze Social Media praktisch nur beruflich und um es in ihren Begrifflichkeiten zu sagen, «unsere Beziehung ist kompliziert» :-)! Einerseits geben dir diese Medien die Freiheit, in Kontakt mit deinen Fans zu treten – mit einer Direktheit und Intimität, die ich sehr schätze. Zudem können jederzeit auch neue Menschen auf dich aufmerksam werden. All dies geschieht unabhängig von den klassischen Printmedien, in denen die Musik immer weniger Platz hat. Das ist natürlich ein grosses Plus. Auf der anderen Seite fordert Social Media auch seinen Tribut. Du bist abhängig von den Plattformen selbst (und eben dem Risiko, dass sie mal nicht mehr funktionieren) und stehst unter dem Druck, diese möglichst regelmässig mit News zu bedienen. Das gehört heute ebenso zum Berufsalltag der Musikschaffenden wie das Songwriting.


Was gibst du deinen Kindern für den Umgang mit Sachen Social Media weiter?

Offene Kommunikation über die Gesamtthematik und den gesunden Menschenverstand einzusetzen, erachte ich als das Wichtigste. Es geht darum, möglichst verantwortungsvoll mit Social Media umzugehen und dessen Konsum immer wieder kritisch zu hinterfragen. Was konsumiert man? Wie oft? Weshalb? Welcher Content wird einem angezeigt? Für Kinder – nicht nur meine – ist es wichtig, zu sehen und zu erkennen, dass Realität das ist, worin wir uns im Hier und Jetzt befinden. Und dass es daneben eben diese Social Media-Welt gibt, die oftmals nicht der Realität entspricht. Menschen und Inhalte, die beschönigt oder verändert werden, um etwas zu verkaufen und zu Marketingzwecken eingesetzt werden. Dass es dabei oft nicht um den wahren Menschen dahinter geht. Das müssen die Kinder möglichst früh verstehen.


Ab wann wird Social Media in deinen Augen zum Thema?

Meine Kinder sind nun 12, 11 und 8. Social Media wird dann zum Thema, wenn das Smartphone relevant wird. Bei uns ist das nicht sehr früh der Fall, aber auch Serien können eine Rolle spielen und natürlich der Austausch in der Schule. Bei unserer Jüngsten liegt der Fokus noch ganz auf ihren Hobbies und ihren Spielen.


Die Medien nennen dich „Schweizer Queen of Soul“ - wie beschreibst du dich?

Genau so. Ich habe diesen Titel sofort übernommen und nenne mich nur deswegen Nicole Bernegger, damit ich nahbarer wirke. (lacht) Nein! Spass beiseite. Ich fühle mich natürlich geehrt, so bezeichnet zu werden. Ich selbst gebe mir aber keinen Titel. Ich bin einfach eine Sängerin und Musikerin, die Soulmusik lebt und liebt.


War dies schon immer so?

So lange ich mich zurückerinnern kann, ja. Mein Herz schlug höher, sobald es um diese Musikrichtung ging. Soul ist für mich ein wunderbares Transportmittel für Emotionen und er zieht sich durch mein musikalisches Schaffen wie ein roter Faden. Es gab eine Zeit, in der ich mich ausschliesslich auf Northern Soul konzentriert habe, mit der entsprechenden Vintage-Ästhetik, ganz im Stil der 60er Jahre. Mein heutiger Sound ist von diesen Roots immer noch geprägt, aber man hört darin auch aktuelle Bands, die ich liebe (The Teskey Brothers, Leon Bridges, Black Pumas, Khruangbin). Ich habe über die Jahre und mit meiner Band zu meinem ganz eigenen Soul gefunden, der sich für mich ganz einfach zeitlos anfühlt.


Was steht bei dir im Vordergrund: Talent oder harte Arbeit?

Beides gehört dazu. Mein oberstes Ziel ist dabei stets, Menschen zu berühren. Ich habe in frühen Jahren bei einer Opernsängerin die Technik lernen dürfen. Das hat für meine Stimme einen Boden geschaffen, auf dem ich tanzen und mich austoben kann, ohne meine Stimmbänder in irgendeiner Form zu belasten. Ich hatte noch nie Knötchen oder sonstige Probleme und kann schmerzfrei die gesamte Bandbreite meiner Stimme auskosten – von unten bis ganz oben. Dies gibt mir viele Freiheiten im Ausdruck.


Vor der Veröffentlichung deines letzten Albums «Alien Pearl» hast du die grosse Plattenfirma verlassen und ein eigenes Label gegründet. Wieviel Mut hat dieser Schritt gebraucht?

Sehr viel. Ohne Steffi Klär, meine Managerin, hätte ich diesen Schritt wahrscheinlich nicht gewagt. Wenn ich zurückschaue, denke ich aber, dass ich mir und meiner Musik nur so wirklich näherkommen konnte. Mit einem eigenen Label bist du selbst im «Driving Seat», du gibst die Richtung vor. Wann passiert wo was? Das hängt zu grossen Teilen von dir selbst ab – das gibt ein grosses Stück Freiheit, bedeutet aber auch sehr viel Arbeit. Entsprechend müssen wir Prioritäten setzen, wenn es darum geht, wieviel wir wo investieren. Und natürlich gibt es immer wieder Stolpersteine. Aber zu lernen wie das Business in sich selbst funktioniert, ist das Wichtigste. Es macht einen unabhängiger und ermöglicht einem, den Weg zu gehen, den man wirklich gehen möchte.


Wie hast du dir dein berufliches Umfeld – Band und Management – ausgesucht?

Dabei waren zwei Faktoren ausschlaggebend: Erstens die persönliche Ebene. Man sieht sich oft, sitzt stundenlang zusammen. Wenn man sich als Menschen nicht wirklich mag, wird es schwierig. Der Austausch muss passen, man muss Visionen und Vorstellungen irgendwie teilen können. Das Zweite sind die Skills – die musikalischen Fähigkeiten. Ohne die geht es nicht. Wenn beide Faktoren in einer Person vereint sind, kann es langfristig klappen. Menschen, die in diesem Sinne musikalisch zu einem passen und mit dir wachsen – das ist wie eine Beziehung, ein laufender Prozess.


In Interviews liest man, dass die Familie dein Lebensmittelpunkt ist, und doch bist du eine umtriebige Musikerin und Labelchefin. Wie bringst du das alles unter einen Hut, was ist dein persönliches Rezept?

Wichtig ist sicher, sich im Klaren darüber zu sein, dass man mit so einem Lebensentwurf relativ wenig Zeit für sich selbst hat. Familie und Musik sind mein Leben und füllen meinen Alltag komplett aus. Ich mache oftmals einen Organisationsspagat und ich bin auf meine Familie angewiesen, die mich in meinem Job unterstützt. Dieser läuft sehr unregelnässig ab, keine Woche ist wie die andere. Ich arbeite an Randzeiten oder auch nachts – ein 9to5-Job ist es nicht. Aber: Die Familie und Job bereichern sich gegenseitig. Meine Familie gibt mir so viel. Die Entwicklung der Kinder zu sehen und die Liebe zu teilen, ist unbezahlbar. Gleichzeitig die Musik zu haben und zu leben, das ist ein echtes Geschenk.


Viele Schweizer Künstler*innen entscheiden sich, Mundart zu singen. Hast du nie mit dem Gedanken gespielt?

Nicht wirklich. Es hat mich zwar öfters gereizt, herauszufinden, ob es ein anderes Gefühl ist, wenn man Mundart singt. Ich habe es aber dann doch nie ausprobiert. Bis heute hatte es wohl einfach nicht die Relevanz für mich. Vielleicht ändert sich das irgendwann einmal, wer weiss – Hauptsache ist, dass ich mich in der Musik, die ich mache, echt und zuhause fühle.


Wo findest du die Inspiration für deine Songtexte?

Überall. Sei dies in meinem eigenen Leben oder um mich herum. Manchmal kann man Szenen aus der Entfernung beobachten und dabei seine eigenen Gedanken spielen und in die Texte einfliessen lassen. Ein Song ist für mich wie ein Gemälde oder ein Buch. Wichtig ist mir, dass jeder seine eigene Geschichte darin wiederfindet, sich mit der Musik identifizieren kann. Die Musik sehe ich dabei als eine Art Transportmittel.


Du wirst als risikofreudig beschrieben; als jemand ohne Angst vor dem freien Fall. Siehst du dich auch so?

Ich bin der festen Überzeugung, dass der Weg, den ich gegangen bin, jede Entscheidung, die ich getroffen habe, mich zu der gemacht haben, die ich heute bin. Dazu gehören Risiko und Fallen genauso, wie Erfolg und Fliegen. Aber es gibt auch Situationen, in denen ich strauchle. Gerade der erste Lockdown, die Isolation, führte auch bei mir zu einer Art Schockstarre. Ich bin ein Teamplayer und brauche meine Leute um mich. Es hat mir zu Beginn wie vielen anderen den Boden unter den Füssen weggezogen. Aber irgendwann wollte ich die Zügel wieder in die Hand nehmen, die Kraft in mir drin suchen und finden, aufstehen und weitermachen.


Wo hast du diese Kraft gefunden?

Im Songwriting. Das war das Einzige, das ich in die Hand nehmen konnte, das planbar war. Ich habe mit groben Skizzen bei mir im Kämmerlein begonnen und an die Band geschickt. Schliesslich gab es Zweier- dann Viererproben und plötzlich... kam der kreative Schwung wieder rein. Das Songwriting war der Motor, der verbindet, neue Visionen schafft und die Maschine wieder zum Laufen bringt.


Wo stehst du, wo steht deine Musik jetzt – 1.5 Jahre nach Beginn der Pandemie?

Man kann nicht sagen, dass wir, dass unsere Branche aus der Krise draussen sind. Erneut gibt es Konzerte, die auf der Kippe stehen. Das Ausgehverhalten ist noch lange nicht wie es vor der Krise war und wird vielleicht nie mehr so werden? Zudem erschweren all die verschobenen Shows nun natürlich die aktuelle Planung. Umso wichtiger sind für uns die neuen Songs. Sie sind das Elixir, und Etwas, das unsere Fans hoffentlich erfreut und uns alle über die Zeit bringt, bis zu dem Moment, wo wir uns wieder ohne ein „Aber“ in heissen kleinen Clubs und an tollen Festivals sehen können. Das gibt mir den Antrieb, darauf freue ich mich jetzt schon wie verrückt!


Wo trifft man dich/euch in den nächsten Tagen/Wochen?

Am 22. Oktober geht's in die Alti Moschti, Mühlethurnen, am 30. nach Biglen in den Kultur-Keller, am 4. November nach Arbon ins Presswerk und am 26. ins Bären Buchsi in Münchenbuchsee. Wir freuen uns!

bottom of page