Linus Eberhard ist COO der Schweizer Sicherheitsfirma DELTAgroup. Neben Events in bekannten Locations wie Hallenstadion, Kongresshaus, Samsung Hall oder Letzigrund, sind Sicherheitsmitarbeitende der DELTAgroup auch am Silvesterzauber , Fussballspielen oder dem Züri Fäscht anzutreffen. Ob Sicherheitskonzepte wichtig sind und was Sicherheitsmitarbeitende mitbringen sollten, lest ihr im untenstehenden Interview.

DELTAgroup stellt die Sicherheitsmitarbeitenden für das Zürifäscht, den Silvesterzauber, diverse Konzerte im Hallenstadion und Kongresshaus und vieles mehr – weisen die Sicherheitskonzepte Gemeinsamkeiten auf?
Das ist schwierig zu sagen. Die einzige Gemeinsamkeit liegt darin, dass in jedem Projekt die Sicherheit der BesucherInnen an erster Stelle steht. Generell gesagt, hängt die Sicherheit stets vom Setting, Layout, Publikum und Umfeld ab. Dies führt dazu, dass wir als Sicherheitsfirma kein Standardmodell aufstellen können, das auf jede Location und alle Events angewendet werden kann. Denn: Jedes Projekt ist anders. Wenn ein Event mehrmals durchgeführt wird, kann man aber natürlich die bisherige Grundlage anschauen und an die Zeichen der Zeit oder an einen möglichen neuen Fokus anpassen.
Wie stufen Sie die Bedeutung des Sicherheitskonzeptes ein?
Es gibt Sicherheitskonzepte und Sicherheitskonzepte. In unserem Fall ist es so, dass die Sicherheit als Grundgedanke im Vordergrund steht. Die ausgearbeiteten Konzepte sind nicht nur einfach der Form halber verfasst worden, damit dieser Punkt in der Eventplanung abgehakt werden kann. Wir sind froh darüber, dass wir mit Kunden zusammenarbeiten, die das Thema Sicherheit genauso ernst nehmen wie wir.
Wo passieren in der Planung die meisten Fehler?
Gemäss unserer Erfahrung geschehen diese dann, wenn man ein Konzept schreibt, damit es geschrieben ist. Damit man ein paar Seiten in den Händen hält, die gut aussehen. Oder dann, wenn das erarbeitete Konzept von der Sicherheitsorganisation selbst nicht getragen wird. Wenn dann ein ausserordentliches Szenario eintritt, weiss die Mehrheit nicht, welche Massnahmen zu ergreifen sind, da sie das Konzept nicht kennen, nicht dabei waren und ihre Inputs nicht mitteilten.
Es gibt eine sogenannte Crowdsimulation - wann wird diese in der Planung eingesetzt?
Die Crowdsimulation kommt dann zum Zuge, wenn die Veranstaltung ein gewisses Mass an Komplexität erreicht. Sprich wenn man all die verschiedenen Einflussgrössen nur noch sehr schwer einschätzen kann. Man darf aber einfach nicht vergessen, dass die Simulation auch nur eine Vereinfachung der Realität ist, die nie alle Parameter abdecken kann. Sie dient lediglich als Verifikationstool.
Setzt ihr die Crowdsimulation zurzeit ein?
Ja. Wir sind gerade daran, eine Simulation im Rahmen vom Zürifäscht 2023 und da speziell im gesamten Bereich des Sechseläutenplatzes zu planen. Mit diesem Computermodell und den Plänen kann man bereits im Vorfeld sehen, in welchen Bereichen es zu möglichen Engpässen, Staus oder leeren Flächen kommen könnte. Mit dieser Simulation und der jahrelangen Erfahrung wird es uns als Sicherheitsfirma möglich sein, adäquate Massnahmen zur Vermeidung von potentiell gefährlichen Situationen zu ergreifen.
Neben den Personen, die an den Eingängen arbeiten oder für die Platzanweisung zuständig sind, gibt es auch Crowdspotter, Effektoren und dann die Polizei. Wie ist da der Ablauf?
Crowdspotter werden von unserer Seite her gestellt. Sie führen Überwachungsaufgaben aus, in denen es darum geht, dass beispielsweise niemand auf der Treppe stehen bleibt oder dass beobachtet wird, wo es plötzlich Stau gibt. Sie sind quasi unsere Antennen und Sensoren, die auf dem Gelände verteilt sind und uns Informationen zuspielen, damit wir die passenden Entscheidungen treffen können. Die nächste Stufe sind die sogenannten Effektoren. Dies sind Personen oder technische Utensilien, die zu einem Effekt führen. Beispielsweise Absperrungen oder Umleitungen. Die letzte Stufe ist die Polizei. Sie kommt zum Zuge, wenn unsere Mittel und Möglichkeiten ausgeschöpft sind und wir handlungsunfähig werden. Die Polizei verfügt selbstverständlich über andere Kompetenzen und kann daher auch anders agieren, um drohende Gefahren abzuwenden. Zur Sicherstellung von Ruhe und Ordnung im öffentlichen Raum können sie dann die notwendigen Massnahmen ergreifen.
CrewX, ServX, Basic, Delta – wann braucht es wen?
Bei der DELTAgroup reden wir von vier Personalkörpern. Bei den CrewX arbeiten sogenannte Stagehands. Sie ermöglichen, dass Konzerte und Events überhaupt stattfinden, weil sie den Auf- und Abbau bewerkstelligen. Die ServX-Mitarbeitenden sind verantwortlich für Assistenzdienstleistungen in grossen Massen. Ticketing, Searching, Platzanweisung, Garderobe, Information. Ohne diese Positionen würden Events ebenso nicht funktionieren. Basic sind für die komplexeren Sicherheitsdienstleistungen zuständig, kümmern sich um Zutrittskontrollen, Patrouillen und müssen auch mal eingreifen können, wenn etwas verhindert werden muss. Bei sehr schwierigen Situationen greifen dann aber die Delta-Mitarbeitenden. Sie müssen das grösste Risiko abdecken.
In einem Interview sagten Sie, dass das Ziel immer sei, zu agieren statt zu reagieren. Gelingt dies immer?
Leider nicht. Auch uns begegnen Situationen, mit denen wir so vielleicht nicht gerechnet haben. Oftmals wird man in solchen Situationen zum Spielball und kann nur noch reagieren. Deshalb ist es dann das Ziel, möglichst schnell die Initiative zurück zu gewinnen.
Wie kommt man wieder in die aktive Rolle?
Um schnell zurückzukehren, muss man sich im Vorfeld zumindest ansatzweise mit möglichst vielen Problemen und Szenarien auseinandersetzen. Was mache ich, wenn gerade in diesem Moment Schnee fällt? Dann lege ich mir eine Schaufel bereit, um den Weg zum Auto und Parkplatz freizuschaufeln, damit ich wieder handlungsfähig werde. Aber klar: Unsicherheit ist ein Element in unserem Job und Bereich, das zu einem festen Bestandteil unseres Denkens wird. Damit musst du dich auseinandersetzen. Jemand, der schlecht mit Unsicherheiten umgehen kann, wird sich in diesem Business vermutlich nicht wohl fühlen. Es gibt so viele Zahnrädchen, die drehen, die man nicht wirklich kontrollieren oder beeinflussen kann. Deshalb ist es umso wichtiger, dass man sich im mentalen und konzeptionellen Bereich richtig vorbereitet.
Welche Rolle spielt dabei die Teamarbeit?
Die Hauptrolle. Teamwork ist das A&O – über alle Ebenen hinweg. Wenn du zwanzig Leute hast und jeder für sich selbst mit Problemen kämpft, wirst du unter Umständen keinen Erfolg haben. Wenn aber diese zwanzig miteinander arbeiten und die Lösungen gemeinsam suchen und finden, kommt es ziemlich gut. Das beste Beispiel sind hierbei die Delta-Mitarbeitenden, die an einen Ordnungsdienst-Einsatz gehen. Als Einzelkämpfer werden sie mit einer grossen Bedrohung nicht fertig, als Team aber erzielen sie eine überdurchschnittliche Wirkung. Auch wenn etwas vorgefallen ist, stützt das Team einen. Und natürlich auch bei uns im Einsatzmanagement: Alle müssen stets miteinander kommunizieren.
Was muss man als «optimale» Sicherheitsmitarbeitende mitbringen?
Da gibt es verschiedene Aspekte. Freude. Man muss das, was man macht, mögen. Dann die innere Überzeugung für Gerechtigkeit. Was ist richtig und falsch? Eine gewisse Stressresistenz ist auch nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn man jeden Tag 100% gibt und es gut meint: Es wird immer jemanden geben, der etwas zu bemängeln hat. Wenn einem dies zu nahe geht, wird man in dem Job vermutlich nicht glücklich, sondern eher mit jedem Tag verbitterter. Neben der psychischen Belastbarkeit darf man aber auch die physische nicht vergessen. Ich bewundere unsere Mitarbeitenden, welche Strapazen sie auf sich nehmen. Acht Stunden in der Kälte zu stehen und sich nicht gross zu bewegen, ist wirklich keine leichte Sache. Ganz wichtig ist natürlich Teamfähigkeit.